Corporate Newsroom #6
Eine Vollzeit-Corporate-Influencerin für OTTO, Newsroom-Einführung bei apetito und REWE, Polizeipräsenz in Social Media und weitere spannende Themen
Interview mit Gina Hardebeck, Sinologin & Expertin für Marketing in China und für chinesische Kunden China ist ein riesiger digitaler Markt mit gänzlich anderen Playern als in der westlichen Welt. TikTok ist mittlerweile weltbekannt. Auch Alipay und WeChat sollten Marketer hierzulande zumindest schon mal gehört haben. Das war’s dann aber häufig schon. Gina Hardebeck kennt sich auf dem chinesischen Markt bestens aus und verrät, worauf es beim China-Marketing ankommt.
Dieses Interview ist in voller Länge in der dritten Ausgabe unseres Magazins Corporate Newsroom erschienen, das ab sofort als kostenfreier Download zur Verfügung steht.
Die Sinologin & ausgebildete Journalistin Gina Hardebeck ist Expertin für Marketing in China & für chinesische Kunden. Bis April 2020 leitete sie bei der Kommunikationsagentur Storymaker den Bereich Vertrieb innerhalb der Geschäftsführung.
Man kann es in drei Gruppen unterteilen: Erstens sind es Unternehmen mit Produktionsstandorten in China. Sie beschäftigen zumeist chinesische Marketingverantwortliche und Vertriebler, die die chinesischen Tools bereits nutzen. Die zweite Gruppe besteht aus Händlern – und zwar größtenteils aus den Bereichen Fashion sowie Haushalts- und Drogerieartikel –, die ihre Produkte über Cross-Border-E-Commerce in China verkaufen. Das können große, weltweit aktive Brands sein, die aber nicht überall mit eigenen Stores vor Ort sind. Die dritte Gruppe sind Unternehmen, die chinesische Touristen ansprechen wollen. Abgesehen von einer gewaltigen Delle während der Coronakrise hat deren Anzahl in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Wir sprechen also hauptsächlich von Händlern mit Shops in den Fußgängerzonen beziehungsweise von Hoteliers und Gastronomen.
„Baidu, Alibaba und Tencent haben die GAFA in vielen Bereichen überholt“
In China hat sich eine eigene digitale Landschaft entwickelt. Unter anderem weil der chinesische Markt weitgehend von der Regierung abgeschottet wird. Facebook und Twitter sind beispielsweise nicht nutzbar. In diesem Vakuum konnten sich chinesische Dienste relativ konkurrenzfrei entwickeln. Zu Beginn waren es häufig reine Copycats. Danach erfolgte aber eine unglaublich schnelle Lernkurve. Heute haben sie die GAFA in vielen Bereichen überholt, da sie enorm innovativ sind und per Trial and Error viele neue Dinge ausprobieren. Es herrscht eine hohe Dynamik.
Bei den BAT beherrscht ebenfalls jeder seinen Bereich: Baidu ist die führende Suchmaschine. Allerdings werden auch immer mehr Suchanfragen in WeChat getätigt. Alibaba und Tencent haben unterschiedliche Richtungen eingeschlagen. Alibaba geht erstens in Richtung E-Commerce mit vielen hochwertigen Plattformen, zweitens in den Paymentbereich mit Alipay als Bezahllösung und drittens in Richtung Cloud-Dienste. Tencent hat – vor allem mit WeChat – den Fokus auf Kommunikations- und Marketingtools sowie den Bereich Gaming gesetzt. Gleichzeitig sehen wir den Aufstieg zahlreicher Start-ups. Der bekannteste junge und mittlerweile weltweit verbreitete Player ist TikTok – in China als Douyin bekannt.
Händler, Hoteliers und Gastronomen dürfen die chinesischen Touristen nicht erst erreichen, wenn sie in Deutschland sind. Das ist viel zu spät. Städte und Regionen aus Deutschland müssen die Individualreisenden bereits vor der Reise auf dem Schirm haben. Daher sollten sich vor allem Unternehmen in kleineren Städten sowie die Verantwortlichen für das Stadtmarketing zusammentun. Um überhaupt wahrgenommen zu werden, ist WeChat das absolute Must-have-Tool. Der jeweilige Account einer Marke muss aktiv abonniert werden. Das erfordert bereits einiges an Aufwand. Hat man erst einmal Abonnenten gewonnen, kann man allerdings umfangreiche Informationen verbreiten, die sehr viel mehr sind als reine Newsletter oder Postings. Der Kreativität der Marketer sind keine Grenzen gesetzt.
Alipay ist neben seiner Zahlungsfunktion auch eine Marketing-App. Händler mit vielen chinesischen Kunden führen Alipay und WeChat Pay als Zahlsysteme ein. Bereits am Flughafen wird dem Touristen dank Geo-Tracking in der App angezeigt, in welchen Läden er dort mit Alipay zahlen kann. Wenn man innerhalb der Alipay-App noch ein Banner oder Couponaktionen schaltet, sprechen chinesische Touristen sehr gut darauf an.
Das Wichtigste ist ein ernsthaftes Commitment. Nur wenn der chinesische Markt wirklich relevant für mich ist oder es in Zukunft wird, sollte ich es angehen – dann aber zu 100 Prozent. Der chinesische Markt ist riesig und komplex. Er hat eine andere Kultur, eine andere Sprache, digitalere, jüngere User. Einfach mal ausprobieren und Me-too-Kampagnen fahren, funktioniert nicht. Diese Entscheidung kann nicht allein im Bereich Marketing und Kommunikation gefällt werden, sondern muss die volle Rückendeckung der Geschäftsführung haben. Für China braucht man einen langen Atem.
Man benötigt mindestens drei Jahre, um sich zu etablieren. Dabei muss man immer in Interaktionen, Verknüpfungen und Verlinkungen denken. Das setzt voraus, dass man sich mit der digitalen Landschaft gut auskennt. Ich wurde regelmäßig von Unternehmen angesprochen, die ihre Produkte bereits auf Tmall.com anbieten und nun einen WeChat-Account eröffnen wollen, um auf ihren Tmall-Shop zu verlinken. Doch das funktioniert leider nicht. Aus dem Tencent-Universum, zu dem WeChat gehört, kann man nicht einfach auf eine Alibaba-Plattform wie Tmall verlinken. Diese beiden Welten sind strikt voneinander getrennt und stehen in starker Konkurrenz zueinander. Strategisch ist es also sinnvoller, von vornherein WeChat und die Verkaufsplattform JD.com – beides Tencent – zu kombinieren.
„Sich in die Zielgruppen hineinzuversetzen, ohne jemals in China gelebt zu haben, ist sehr schwierig“, sagt Gina Hardebeck. In unserem Magazin Corporate Newsroom #3 lesen sie das Interview in voller Länge.
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