Wer sich schon einmal mit dem Thema Corporate Influencer*innen auseinandergesetzt hat, kennt die Jobbotschafter*innen von OTTO. Der Hamburger Plattformanbieter hat 2017 ein Programm ins Leben gerufen, mit dem er seine Mitarbeitenden stärker in die Kommunikation einbindet.

Die Impulse kamen damals aus zwei Richtungen, wie Pressesprecherin Eugenia Mönning erläutert: „Erstens wurden in den Bewerbungsgesprächen häufig sehr fachliche Fragen gestellt, die die Recruiter*innen in dieser Tiefe nicht beantworten konnten. Wir haben außerdem die Rückmeldung bekommen, dass die Bewerber*innen gerne jemanden aus dem Team kennengelernt hätten. Gerade Tech-Talente können sich heute aussuchen, wo sie arbeiten möchten. Gehalt und Technologie sind Hygienefaktoren. Die müssen einfach stimmen. Und dann kommt es aufs Team und die Arbeitsweisen an. Zweitens haben wir festgestellt, dass ganz viele Kolleg*innen einfach Bock haben, von ihrer Arbeit zu erzählen. Diese zwei Bedürfnisse haben wir zusammengeführt. Dabei haben wir versucht, alle Touchpoints in der Candidate-Journey abzudecken, das heißt: Überall, wo du mit OTTO in Kontakt kommst, sollst du auf Corporate Influencer*innen treffen.“

Nun hat OTTO das Programm gründlich überarbeitet und neue Profile geschaffen. Zum Beispiel das des Tech Ambassadors. Dr. Frederike Fritzsche ist die erste Vollzeit-Corporate-Influencerin des Unternehmens und der Marke OTTO.

Wir haben mit Mönning und Fritzsche über die Neuausrichtung des Programms gesprochen.

Corporate Influencer live: OTTO Jobbotschafter*innen auf einer Messe
Die Jobbotschafter*innen geben OTTO unter anderem auf Messen ein Gesicht.

Vier Jahre Jobbotschafter*innen-Programm: Was waren eure persönlichen Highlights?

Mönning: Die Rückmeldungen aus dem Markt und von anderen Kommunikator*innen, die begeistert waren und fragten, wie unser Programm und das Zusammenspiel mit der Unternehmenskommunikation funktioniert. Man lässt ja einiges los, die Kommunikation wird gewissermaßen demokratisiert. Am allermeisten gefreut haben mich Aussagen von neuen Kolleg*innen, die als ausschlaggebenden Grund für ihre Entscheidung für OTTO den Kontakt zu jemandem aus dem Corporate-Influencer-Programm genannt haben. Das zeigt mir, dass das Programm funktioniert.

Fritzsche: Mein absolutes Highlight war der Start unserer Tech-Snack-Video-Reihe. Ich fand es schön, in den Kommentaren lobende Worte dafür zu finden, dass wir OTTO nicht in den Vordergrund stellen. Das möchte ich gerne erreichen. Ich will nicht da draußen stehen und ständig rufen: „OTTO ist toll!“ Ich möchte lieber zeigen, was wir machen, und die Menschen über den Content erreichen.

„Es geht um Leidenschaft und Authentizität“

Eugenia Mönning, Pressesprecherin bei OTTO

Wie ist der Status quo Anfang 2022?

Mönning: Aktuell stehen wir bei etwa 200 Corporate Influencer*innen. Man muss dazu sagen, dass nicht alle gleich aktiv sind. Das ist aber auch in Ordnung, da das Programm auf Freiwilligkeit und Eigenmotivation beruht. Es steht kein Anreizsystem dahinter. Es geht um Leidenschaft und Authentizität. Aber natürlich haben wir überlegt, wie wir die Teilnehmenden noch stärker aktivieren können. Gleichzeitig haben wir in den Bewerbermarkt geschaut und geprüft, ob unsere Jobbotschafter*innen-Profile noch aussagekräftig sind und den Bedarf des Marktes decken.

Eure Konsequenz war, das Programm anzupassen und im November 2021 in seiner neuen Form vorzustellen.

Mönning: Genau. Unter anderem haben wir aus den sechs Profilen vier gemacht und die Trainings angepasst. Sie waren vorher nicht schlechter, aber der Bedarf ist heute ein anderer. Zusätzlich zu den vier Profilen haben wir mit Frederike ein Pilot-Profil geschaffen: den Tech Ambassador. Während die anderen Corporate Influencer*innen neben ihrer eigentlichen Tätigkeit kommunizieren, verwendet Frederike einen Großteil ihrer Zeit genau dafür.

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Was hat sich hinsichtlich der Kommunikationsmaßnahmen verändert?

Mönning: Wir haben am Außenauftritt der Jobbotschafter*innen gefeilt. Am Anfang war das vorrangige Ziel, möglichst schnell offene Stellen mit den richtigen Talenten zu besetzen. Jetzt geht es mehr in Richtung Wahrnehmung und Kommunikation. Das hat auch mit der pandemischen Lage zu tun. Es gab anderthalb Jahre nur Remote-Veranstaltungen. Da ist der Austausch ein ganz anderer und die Interaktionsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Wir mussten unser Programm so wandeln, dass man OTTO trotzdem noch erleben kann – vor allem die Menschen hinter der Marke. Die Aussage „Menschen folgen Menschen, nicht Unternehmen“ ist wahr. Das merkt man auch daran, wie sich die LinkedIn-Profile unserer Vorständ*innen oder von Frederike im Vergleich zu den Unternehmenskanälen entwickeln. Eines der neuen Profile sind die Writer*innen und Speaker*innen. Diese Personen schreiben in Fachmagazinen über ihre Themen. Dabei geht es nicht darum, wie es ist, bei OTTO zu arbeiten, sondern nur um das Fachliche. Das ist gerade für Techis ausschlaggebend. Ein regelmäßiges Format ist der Tech-Snack mit Frederike. Wir haben zudem den Unternehmens-Twitter-Account @otto_tech in ihre Hände gegeben. Er wird nicht mehr zentral gesteuert, sondern von ihr mit ihren Einblicken aus dem Arbeitsalltag bespielt.

Frederike, du bist selbst Corporate Influencerin. Wie kam es dazu?

Fritzsche: Ich war früher im Business-Development und habe mich damals bereits mit innovativen Technologien auseinandergesetzt. Vor drei Jahren wurde ich gefragt, ob ich ein Inhouse-Start-up mitgründen möchte. Das Projekt war in der IT angesiedelt. Und so bin ich eine Atmosphäre eingetaucht, in der man mir die technischen Hintergründe sehr ausführlich und leidenschaftlich erklärt hat. Ich habe dann wiederum gerne extern von meiner Arbeit berichtet, was der Kommunikationsabteilung aufgefallen ist.

„Ich bleibe in der IT. Worüber sollte ich sonst berichten?“

Dr. Frederike Fritzsche, Vollzeit-Corporate-Influencerin bei OTTO

Wie hat sich dein Arbeitsalltag als „Tech Ambassador“ verändert?

Fritzsche: Er hat sich um eine superspannende Facette erweitert. Ich bekomme noch mehr Einblicke, da ich aktiv auf die Suche nach den Tech-Themen von OTTO gehe. Im Haus erweitere ich mein Netzwerk gerade enorm. Außerdem gebe ich – wie jetzt gerade – mehr Interviews und schreibe Gastbeiträge. Ich tauche noch tiefer in die Kommunikationswelt ein. Das ist neu für mich. Aber ich lerne sehr gerne dazu.

Logo des Corporate-Influencer-Programms von OTTO

Bist du ins Comms-Team gewechselt oder in deiner „alten“ Abteilung geblieben?

Fritzsche: Eine Frage, die trivialer erscheint, als sie tatsächlich ist. Uns war schnell klar: Ich bleibe in der IT. Denn worüber sollte ich sonst berichten? Mir war es wichtig, Inhalte zu transportieren. Das kann ich nur, wenn ich weiterhin in der IT tätig bin.

Siehst du dich als Kommunikatorin oder als Techi, die kommuniziert?

Fritzsche: Definitiv Zweiteres. Gerade weil es mir wichtig ist, authentisch zu bleiben und einen realistischen Einblick in die Arbeit zu geben.

„Würde ich das selbst lesen oder schauen wollen?“

Dr. Frederike Fritzsche, Vollzeit-Corporate-Influencerin bei OTTO

Genau das ist ja der Clou bei Corporate Influencer*innen: Die IT-Spezialistin, der Vertriebler oder die Produkt-Managerin kann die eigene Peer-Group authentischer ansprechen als das Kommunikations- oder HR-Team. Könnte dieser Hebel dennoch verlorengehen, wenn immer mehr Corporate Influencer*innen in erster Linie kommunizieren sollten?

Mönning: Die Gefahr besteht. Authentizität ist das Wichtigste bei diesem Programm. Daher ist es auch zunächst ein Pilot. Frederike soll bewusst nicht in die UK oder ins Personalmarketing wechseln. Sie soll in der IT und operativ tätig bleiben. Ansonsten würden wir uns mit den Corporate Influencer*innen einfach nur weitere Kommunikator*innen ohne Bezug zu Fachthemen aufbauen. Ich kommuniziere auch zu Tech-Themen – aber aus Unternehmenssicht und nicht mit meinen eigenen Erfahrungen. Das ist wichtig, aber nicht der Content, mit dem wir die Zielgruppe der Bewerber*innen ansprechen.

Fritzsche: Für mich war immer klar, dass ich in der IT bleiben muss und wieder in neuen Projekten eingesetzt werde. Ich bin selbst die schärfste Kritikerin meines Contents und frage mich immer: Würde ich das selbst lesen oder schauen wollen?

„Viele Techis brennen für ihren Job, aber sie wollen nicht kommunizieren“

Eugenia Mönning, Pressesprecherin bei OTTO

Ein wichtiger Punkt: Wir Kommunikator*innen können uns viel überlegen, was der Zielgruppe gefallen könnte. Für authentischen Employer-Branding- Content braucht es dann aber Mitarbeitende, die voll dahinterstehen und mitmachen.

Mönning: Ja, man braucht Menschen, die Bock darauf haben. Genau deshalb haben wir das „Tech Ambassador“-Profil entwickelt. Viele Techis brennen für ihren Job, aber sie wollen nicht dazu kommunizieren. Sie mögen das Rampenlicht nicht oder sie erachten es nicht als sinnstiftend. Für sie ist das Coden sinnstiftend. Aber wenn es einen Techi gibt, der den anderen zu seinen Themen befragt und dann Content produziert, ist die Bereitschaft eine andere, als wenn die UK auf ihn zukommt.

OTTO bietet seinen Jobbotschafter*innen verschiedenen Workshops im Rahmen des Corporate-Influencer-Programms an.
„OTTO als Arbeitgeber in Social Media“ – in Workshops wie diesem lernen die Corporate Influencer*innen den Umgang mit unterschiedlichen Mediengattungen.

Fritzsche: In den Meetings merke ich sofort, wer enthusiastisch von seinen Projekten erzählt. Und wenn ich in diesen Runden und Projekten dabei bin, habe ich direkt einen ganz anderen Zugang.

Diese Personen müssen allerdings auch die in der Sprintplanung festgelegten Ziele erreichen. Dann ist es wichtig, dass die Teamleitung ihnen ein gewisses Zeitkontingent für Kommunikationsaufgaben gewährt. Wie funktioniert das bei euch?

Mönning: Da das Programm auf Freiwilligkeit basiert, gilt das auch für die investierte Zeit. Das kann natürlich zu Spannungen führen. Unser Commitment ist: Der eigentliche Job steht im Vordergrund. Die meisten Führungskräfte stehen hinter dem Programm, weil sie wissen, was es für das Team bringen kann, nämlich Talente akquirieren, Sichtbarkeit erzeugen, Projekte promoten. Außerdem haben wir einen IT-Bereichsvorstand, der ein sehr modernes Verständnis von Unternehmenskommunikation hat. MüWü (Dr. Michael Müller-Wünsch; Anm. d. Red.) ist das Paradebeispiel dafür, warum es wichtig ist, als Vorstand selbst aktiv zu kommunizieren. Er spricht auf unzähligen Veranstaltungen, wirbt intern immer wieder für das Corporate-Influencer-Programm und sensibilisiert seine Führungskräfte. Das hilft enorm.

Lesen Sie weitere interessante Interviews und Artikel in der sechsten Ausgabe des Magazins Corporate Newsroom.

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Seit 2018 gibt es bei OTTO einen Corporate Newsroom. Wie ist dieser aufgebaut – klassisch „nach Moss“?

Mönning: Ja, wir haben eine Chefin vom Dienst, Themen-Owner für die verschiedenen Vorstandsbereiche – ich zum Beispiel bin als Pressesprecherin verantwortlich für Tech-Themen –, Strategen, das Social-Media-Team und Kanalverantwortliche.

Sind die Leiterinnen des Corporate-Influencer-Programms auch die Themenverantwortlichen im Newsroom?

Mönning: Das Kernteam besteht aus zwei Personen aus dem Personalmarketing, zwei aus dem Recruiting und zwei aus der Unternehmenskommunikation. Die Kolleginnen aus Personalmarketing und Recruiting sind keine festen Mitglieder im Newsroom. Gemeinsam mit unserer Chef-Social-Media-Strategin Nele Ackermann sorge ich dafür, dass die Corporate Influencer*innen im Newsroom stattfinden und unsere Themen eingeplant werden. Darüber hinaus kommen einige Corporate Influencer*innen regelmäßig im Newsroom zu Wort. So gibt es etwa schon mehrere Beiträge und Interviews mit unserer KI-Spezialistin Dr. Michaela Regneri – und natürlich ist Frederike dort auch zu finden.

„Wir brauchen keine Freigabeprozesse“

Eugenia Mönning, Pressesprecherin bei OTTO

Haben die Jobbotschafter*innen den Newsroom verändert?

Mönning: Der Newsroom hat sich durch die Corporate Influencer*innen nicht verändert. Was sich aber enorm gewandelt hat, ist die Rolle der Unternehmenskommunikation. Wir sind nicht die alleinigen Kommunikator*innen, sondern haben eine Enabler-Rolle angenommen. Wir helfen unseren Kolleg*innen jetzt dabei, zu kommunizieren. Wir geben Schulungen, teilweise sehr kanalspezifisch, wenn wir beispielsweise erklären, worauf es bei LinkedIn oder Twitter ankommt, teilweise handwerklich in Form von Schreib-, Medien- und Präsentationstrainings. Wir machen aber auch persönliche Beratung: Welche Themen passen zur Person? Worüber sollte sie sprechen? Alle von uns können reichweitenstark über ihre eigenen Kanäle kommunizieren. Warum sollte ich das als Unternehmen unterbinden? Wir müssen es fördern und in die richtigen Bahnen lenken.

Wie sieht es mit Freigaben aus?

Mönning: Wir brauchen keine Freigabeprozesse. Das würde im Rahmen des Programms nicht funktionieren. Wir stellen sicher, dass nichts schiefgeht, indem wir aufklären und schulen. Sie dürfen auch Kritik am Unternehmen äußern, das ist authentisch und wird von der Community belohnt. Mit dem Programm hat sich auch unser ottonet verändert – vom klassischen Intranet zum Mitmach-Net. Wir bereiten keine Themen mehr auf, das machen die Kolleg*innen heute selbst, weil sie geschult sind, Texte zu schreiben. Damit fällt auch unsere Gatekeeper- Funktion weg.

Werden die Corporate Influencer*innen in die Redaktionsplanung eingebunden?

Mönning: Unsere Redaktionssitzungen sind grundsätzlich offen für alle. Vor Corona wurden wir in unserem physischen Newsroom auf dem Campus regelmäßig besucht. Das ist mit dem Wechsel zu Remote leider etwas eingeschlafen. Wir haben natürlich einen Jahresthemenplan, reagieren aber auch sehr kurzfristig. Die Themenverantwortlichen stehen im ständigen Kontakt zu den Fachbereichen. Wenn in der IT ein spannendes Thema aufkommt, prüfe ich, ob es intern und extern gespielt werden kann. Intern beraten wir die Kolleg*innen, wenn Bedarf besteht. Ansonsten bereiten sie es selbst auf. In der externen Kommunikation begleiten wir es vonseiten der UK.