Arbeiten an der „Delle im Universum“

Wenn nichts passiert, ist die Expertise der Kommunikationsexperten gefragt. Wie platziert man als PR-Agentur die Themen seines Auftraggebers in der Öffentlichkeit? Mit Bedacht und guten Tools, sagt Sachar Klein, „Chief Attention Officer“ der Berliner Agentur hypr.

Arbeiten an der „Delle im Universum“

Dieser Artikel ist in der dritten Ausgabe unseres Magazins Corporate Newsroom erschienen, das ab sofort als kostenfreier Download zu Verfügung steht.


Sachar Klein nennt sich selbst Chief Attention Officer. Mit seiner Firma hypr arbeitet er von Berlin aus mit sieben Mitarbeitern aus sechs Städten. „Das erfordert große Disziplin, aber funktioniert.“


Unterwegs als Mittler zwischen den Welten

Mit immer neuen Plattformen und Kanälen fällt es der Unternehmenskommunikation zunehmend schwer, ihre Botschaften in der Öffentlichkeit zu platzieren. Dabei reicht es schon lange nicht mehr, die Themen einfach auf allen Kanälen „rauszuballern“.

Für Sachar Klein, Kommunikationsexperte aus Berlin, kommt es stattdessen auf die richtige Haltung an: Es geht darum, sich als Mittler zwischen zwei Welten zu verstehen – zum einen natürlich der des Auftraggebers und seiner Themen, zum anderen aber auch der Welt der Journalisten, ihren Plattformen und Leserschaften.

„Die Aufgabe wird von Monat zu Monat immer schwieriger. Die Menschen haben immer weniger Zeit“, sagt Klein. Daher muss sich ein Pressesprecher regelmäßig in die Rolle der Journalisten versetzen. Im Extremfall kann das bedeuten, auf Unternehmensseite auch mal eine gewünschte Geschichte oder Idee zu blockieren, wenn sie bei den Journalisten schon von vornherein erwartbar nicht zündet.

Jeder Mensch hat etwas, das ihn auszeichnet

Die klassische Pressemitteilung funktioniert nicht mehr. „Der Medienmarkt fragmentiert immer weiter. Da braucht es eine umfangreiche Toolbox, um Content gewinnbringend zu verbreiten“, erklärt Klein. Und das soll dann nicht einfach nur ein zusätzlicher Twitter-Kanal sein oder eine Facebook-Seite.

Ein guter Weg sei häufig, jemanden aus dem Unternehmen als Expertenstimme in der Öffentlichkeit zu platzieren. „Jeder Mensch hat etwas, das ihn auszeichnet“, sagt Klein. Wenn etwa ein neues Fintech eine gute Bewertung über x Millionen Euro an der Börse erhält, dann bekommt das Thema auch jede mittelgute PR-Agentur in den Medien platziert; „aber was machst du, wenn gerade nichts passiert?“

Das Charisma nutzen

Kleins Agentur hypr hat beispielsweise für einen Kunden eine Strategie erarbeitet, in der zu einem eigentlich sehr spröden Thema eine sehr persönliche Wirkung des Geschäftsführers entfaltet werden konnte.

 

„Mit Bleiwüsten auf Unternehmensseiten im Web gewinnt man schon seit 20 Jahren keinen Blumentopf.“

Der CEO aus dem Bereich Steuersparsoftware war der erste in seiner Familie, der studieren konnte. Mit großer Demut ging er an seine über einen Headhunter vermittelte Aufgabe als Geschäftsführer. Durch Meditieren und sein besonderes Charisma gelang es ihm, in dem Unternehmen ein etwas anderes Menschenbild als das klassische in der modernen Arbeitswelt zu etablieren. Die erfolgreiche Pressearbeit bestand initial nun nicht darin, die Vorzüge der Steuersoftware herauszuarbeiten. 

Stattdessen veröffentlichten der Unternehmer und seine Agentur auf seinem LinkedIn-Kanal einen eigenen Artikel über seine Ansichten zum Thema „Arbeit“. 3.000 Likes und 400 Shares später war zumindest diese Geschichte in einer interessierten Szene platziert – und erreichte letztlich auch den ersten Journalisten einer überregionalen Tageszeitung. Daraus entstanden die ersten Zitate dieses Unternehmers in einer breiteren Öffentlichkeit. Und kurz darauf ein ausführliches Interview in einem weiteren großen Medium.

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Manchmal hilft ein Trojanisches Pferd

Schön und gut, wenn der Chef in den Medien erscheint – manch einer mag sich danach schon zurücklehnen. Der wichtigste messbare Erfolg bestand für das Unternehmen jedoch nicht in einer höheren Reichweite für den CEO. Wichtiger war, dass es plötzlich mehr Bewerbungen gab.

Die Ansichten über Eckpunkte einer modernen, auf den Mitarbeitenden ausgerichteten Arbeitswelt gefielen offenbar vielen jungen Menschen – und das Unternehmen konnte die Zahl der Mitarbeiter sehr schnell von 18 auf mehr als 30 steigern. „Das Arbeitsmodell war hier wie ein Trojanisches Pferd“, sagt Klein. Es wurde zur Unterstützung der Markenbekanntheit genutzt. Dass sich am Ende mehr Menschen für das Produkt des Unternehmens interessierten, war natürlich ein gerne akzeptierter Seiteneffekt. 

Zu den Basics moderner Pressearbeit gehört es aber auch immer wieder, sich in die Rolle der Kunden zu versetzen. „Mit Bleiwüsten auf Unternehmensseiten im Web gewinnt man schon seit 20 Jahren keinen Blumentopf.“ Besonders auf den Presseseiten gilt es, möglichst viele klare Antworten auf potenzielle Fragen aufzubereiten. Fragen, Fotos, Factsheets gehören zum kleinen Einmaleins. Dabei müssten aus Sicht Kleins proaktiv auch unangenehme Fragen erörtert werden. 

Alte und vermeintlich neue Medien

Letzteres, das Besprechen auch unangenehmer Fragen, gewinnt bereits seit einiger Zeit in Podcasts eine immer beliebtere Plattform. Die Medien wandeln sich, „jedes Medium hat seine Zeit“, sagt Klein. Ob sein kleiner Sohn in zehn Jahren noch dieses Facebook kennen werde, bezweifelt er. Und nicht ohne Grund hat ein Konzern wie Daimler kürzlich seinen Corporate Blog durch ein vermeintlich altes Format ersetzt, ein Magazin auf Papier. 

In Sachen Podcasts, eigentlich ja auch ein sehr altes Format aus den Urzeiten des Internets, verfolgt Klein daher die Entwicklung sehr genau. Manche gut gemachten Podcast-Formate erreichen inzwischen siebenstellige Abrufzahlen. Ob aber das Tool Podcasts für jede Pressearbeit geeignet ist, hängt vom Einzelfall ab. „Wer eine Delle ins Universum schlagen möchte, muss das Universum kennen und verstehen. Für jede Nische da draußen gibt es Angebote – da bleiben wir Pressesprecher als Mittler zwischen den Welten besonders gefordert.“

 

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