"Ein guter Newsroom lebt im stetigen Wandel"

Vor 15 Jahren ahnte niemand, dass einmal ein Dienst namens Twitter die schnellste Nachrichtenagentur am Markt werden würde. Christian Lindner hat als Chefredakteur der Rhein-Zeitung und später als stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag den Wandel miterlebt. „Wir sind weiter mittendrin“, sagt er – und gibt Tipps, worauf Unternehmen beim Entwickeln ihrer Medienaktivitäten achten sollten.

In unserem Magazin Corporate Newsroom 2.0 finden Sie neben einer ausführlichen Version des Interviews viele weitere Best Practices und Expertenbeiträge.

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Immer mehr Unternehmen entwickeln eigene Newsrooms. Wofür brauchen wir eigentlich noch klassische Zeitungen und Redaktionen?

Gute Redaktionen schwimmen nicht im Mainstream. Sie und vor allem die guten Journalisten stehen stetig im Strom der Zeit, um besonders Trends und innovative Impulse herauszufischen. Sie sind Signalgeber für aktuelle Entwicklungen, sie finden Unerwartetes. Und das teilen sie dann der Gesellschaft und auch den Unternehmen mit.

Das können die Unternehmen nicht?

Mit den modern ausgerichteten Fühlern können die klassischen Redaktionen sehr viel schneller Trendthemen erkennen – und auch aus dem Stand zu großen Beiträgen machen. Wenn die Medienmarke Gewicht hat, kann die Redaktion auf die Schnelle namhafte Experten einbinden. Unternehmen sind dagegen eher starr in ihrem Verlangen, Themen zu setzen. Dabei ist die Öffentlichkeit mittlerweile anders.

Welche Erfahrungen aus den Redaktionen können die Unternehmen nutzen?

Mit dem Einrichten eines Newsrooms ist es nicht getan. Der Newsroom ist keine Frage der Innenarchitektur. Neue Plattformen, neue Trends, neue Mechanismen und eine andere Sprache gehören dazu. Newsroom heißt: Man muss sich permanent erneuern. Newsroom ist immer Beta.

Für viele heißt das aber häufig: Mit weniger Leuten noch mehr machen.

Es ist keine gute Methode, mit einer endlichen Anzahl an Leuten dauernd Neues zusätzlich zu machen. Es gilt, sich mit den Kollegen zusammenzusetzen und auch zu hinterfragen: Wo kann man den Aufwand reduzieren? Welche Standards und Routinen sind überholt? Welche Arbeiten können wegfallen? Mit zu viel Gepäck auf dem Rücken kann man keine neuen Höhen erklimmen. Ballast muss man abwerfen.

Social Media wirken häufig wie ein überhitzter Nachrichtenmarkt. Wie können Unternehmen zwischen Skandalen, Shitstorms und Massencontent bestehen?

Es gilt das Prinzip Klasse statt Masse. Unternehmen sollten keine 10-20 Posts am Tag absetzen. Sie sollten Relevantes bieten, Mehrwert schaffen und das Nützliche betonen. Es gilt, das Substanzielle zu erschließen. Das geht nicht über das Zählen von Posts. Die Firmen müssen identifizieren: Wen will ich wie mit welcher Botschaft erreichen? Da sind 1.000 Qualitätsfollower besser als 10.000 Massenleser. Sonst landet man im Hamsterrad.

„Es gibt nichts Schlimmeres als mittelbare Social-Media-Arbeit.“ Was Christian Lindner von twitternden CEOs hält, lesen Sie in unserem Magazin Corporate Newsroom 2.0.

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Rückblickend hat sich die Medienwelt rasant gewandelt. Ist ein stabiler Status quo überhaupt denkbar?

Eines kann man garantieren: Mit dem Medienwandel werden wir nie fertig. Ein guter Newsroom lebt im stetigen Wandel. Vor 15 Jahren hat niemand geahnt, dass wir einmal eine so rasante Nachrichtenquelle wie Twitter haben würden. Vor zehn Jahren wusste niemand, welche Effekte das Smartphone auf die Medienwelt und die Gesellschaft ausüben würde. Seit ein paar Jahren erleben wir den Einzug der Gattung „Voice“, und wieder dreht sich das Rad. Alexa & Co. werden immer smarter, sie eröffnen neue Möglichkeiten für die Medien, aber auch für die Unternehmen. Auch auf diese Plattformen stellen sich gute Newsrooms ein – vorausgesetzt, der Wille zur ständigen Veränderung ist da.

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