Eine Rezension von Marcus Schwarze.

Spätestens seit Corona kommen Behörden und Partner an Social Media nicht mehr vorbei. Ob Bundesgesundheitsministerium oder Landesregierung, Stadtverwaltung oder öffentliches Nahverkehrsunternehmen – alle waren von neuen, sich auch immer wieder ändernden Regeln in der Pandemie betroffen. Die mussten schnell und gezielt kommuniziert werden. Manche Behörden liefen in der Corona-Krise zu Höchstformen auf.

„Müssen wir da etwa antworten?“

Mit dem Buch „Social Media für Behörden“ ist es Christiane Germann und Wolfgang Ainetter gelungen, ein neues Standardwerk für die Arbeit von Behörden in den Sozialen Medien zu verfassen. Auf 423 Seiten beantworten sie Fragen nach dem Personalbedarf, welche Talente gebraucht werden und wie ein Social-Media-Team aufgestellt sein muss, um auf Facebook und Co. erfolgreich zu sein. „Müssen wir da etwa antworten?“, zitieren sie provokativ in einem Kapitel eine gängige Frage mancher Behördenleitung. Die Antwort ist schneller gesagt als umgesetzt: „Sobald Sie einen Account in einem sozialen Netzwerk eröffnen und dort Beiträge posten, wird das als Einladung zum Dialog aufgefasst.“ 

Mach die Merkel!

Doch wie soll man als Behörde auf Social Media antworten? Germann und Ainetter geben einen überraschenden Ratschlag: Mach die Merkel! Man solle sich die langjährige Bundeskanzlerin vorstellen, wie sie besonnen, überlegt, ruhig und sachlich antwortet und erklärt. Freundlich und serviceorientiert, „Erklären, erklären, erklären Sie!“, fordern die Autoren. Germann ist Gründerin der Berliner Social-Media-Agentur „amtzweinull“ und war in verschiedenen Bundesbehörden für Social-Media- und Community-Management verantwortlich. Ainetter, heute Kommunikationsberater, war bis 2021 Kommunikationschef im Bundesverkehrsministerium und gründete dort das „Neuigkeitenzimmer“, den ersten Newsroom in einem Bundesministerium.

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Warnung vor Textbausteinen

Anhand vieler Beispiele veranschaulicht das Buch gute und schlechte Social-Media-Arbeit. Da postet etwa die Stadt Königswinter in NRW eine Warnung vorm Baden im Rhein und erntet einen kritischen Kommentar, weil Kinder zurzeit nicht ins Kinderschwimmbecken des örtlichen Schwimmbads gehen könnten. Das Social-Media-Team klärt, dass sich einen Tag später entscheide, wann das Becken wiedereröffnet wird – dafür gibt’s ein Herz von der Kritikerin. Ein Negativbeispiel bringt dagegen das Bundeswirtschaftsministerium, das umständlich mit nichtssagenden Textbausteinen auf eine Kritik reagiert. Echter Bürgerdialog geht anders.

Duzen oder Siezen?

Solche praxisnahen Hinweise durchziehen das gesamte Buch. In einem Kapitel gibt es Empfehlungen für Diskussionsregeln („Netiquette“), im nächsten Leitlinien beim Community-Management. Soll man seine Leser*innen duzen wie das Bundesfinanzministerium und Ikea? Oder siezen wie die Polizei Berlin, obwohl laut Umfragen drei Viertel der Facebook-Nutzer*innen und 82 Prozent der Instagram-Nutzer*innen das Du befürworten? Die Autoren empfehlen dennoch das Sie: „Wir finden es einen Bruch, wenn Sie Bürger*innen, die persönlich in Ihr Amt kommen, mit Sie begrüßen – und dieselben Personen wenig später in den sozialen Kanälen duzen.“

Andere Kapitel klären darüber auf, wem ein Behördenaccount selbst folgen sollte – nämlich ausschließlich Accounts, die ihrem Betreiber einen Mehrwert bieten oder zur Wunsch-Community gehören. Parteiaccounts sollten nicht dazu gehören, weil Behörden neutral sein sollen. Gleiches gilt fürs Teilen von Inhalten anderer.

Von „Call to action“ bis zum Überlebensplan zur Abwehr eines Shitstorms

Praktische Ratschläge umfassen die Gestaltung von Behördenlogos in Profilen (eckige Formate werden etwa im runden Instagram- und Facebook-Logo unschön beschnitten), die Nutzung von „Call to action“-Posts und die Einrichtung von Follower-Treffen und Instawalks, um die Community bei Laune zu halten. Ein anderes Kapitel schlägt einen Überlebensplan zur Abwehr eines Shitstorms vor. Dazu gehören etwa interne Kommunikationswege für Krisenfälle und Überstundenfestlegungen für Extremsituationen. Auch hierbei sparen die Autoren nicht an Beispielen. Weitere Kapitel erklären den Umgang mit Hass im Netz und mit Verschwörungstheorien, welche Ziele und Zielgruppen sich Behörden im Netz vorknöpfen und welche Kennzahlen dafür beobachtet werden sollten.

Die wichtigsten Sozialen Netzwerke werden ausführlich charakterisiert, und mehrere Kapitel widmen sich der Frage, wie man trockene Behörden-Themen spannend erzählt. Menschen, Emotionen, konkrete Hilfs- und Serviceangebote sowie Lernbeiträge mit Erklärungen nennt das Buch und veranschaulicht es an vielen Beispielen. Da lernen auch Corporate Newsrooms von Nichtbehörden manches Neue.

„Social Media für Behörden. Wie Bürgerkommunikation heute funktioniert“, von Christiane Germann und Wolfgang Ainetter, 423 Seiten, Rheinwerk Verlag, ISBN 978-3-8362-8377-9, 49,90 Euro, als E-Book 44,90 Euro.

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