Daten, Daten, immer wieder Daten: Schibsted und Big Data

Big Data hilft einem Verlag in Skandinavien dabei, zahlende Nutzer zu gewinnen. Das Beispiel von Schibsted ist für viele in der Medienbranche ein Vorbild – und kann auch dem Marketing wichtige Impulse für den Einsatz von Big Data und Business Intelligence geben.

Daten, Daten, immer wieder Daten: Schibsted und Big Data

Dieser Artikel ist in der dritten Ausgabe unseres Magazins Corporate Newsroom erschienen, das ab sofort als kostenfreier Download zu Verfügung steht.

Mit Kleinanzeigen weiterhin erfolgreich

Schibsted ist eine Art Axel Springer Verlag in Skandinavien. Das Unternehmen gibt unter anderem die Zeitung Aftenposten in Oslo heraus und das Boulevardblatt Verdens Gang (VG). Die Norweger sind darüber hinaus in Schweden, der Schweiz und anderen Ländern in Europa aktiv – und haben seit dem Jahr 2000 ihre Aktivitäten durchgehend digitalisiert. Gut die Hälfte der Einnahmen kommt mittlerweile über das Kleinanzeigengeschäft – und viele Medienmacher schauen mit einer gewissen Hochachtung in den hohen Norden.

Denn Schibsted ist etwas gelungen, an dem viele Medien feilen: das Digitale in den Mittelpunkt zu stellen und gewinnbringend zu nutzen. Dazu gehören zwar auch die Zeitungen und ihre Online-Auftritte, aber eben nicht nur.

Beim Kleinanzeigengeschäft hat das Unternehmen schnell realisiert, dass mit Ebay und Co. neue Player auf den Markt kamen, die den etablierten Verlagen zur Gefahr werden würden. Also folgte Schibsted einer der wichtigsten Erkenntnisse der Digitalisierung: Bevor andere dich kannibalisieren, kannibalisiere dich lieber selbst.

 

UPDATE: Am 21.07.2020 berichtete unter anderem der SPIEGEL, dass das im vergangenen Jahr aus dem Schibsted-Konzern ausgelagerte Unternehmen Adevinta die Kleinanzeigensparte von Ebay erwerben wird.

Webabonnenten zahlen weniger

Die Folge waren Kleinanzeigenportale, die mittlerweile die wirtschaftliche Basis für das gesamte Medienhaus bilden. Und eine weitere Folge: Bezahlangebote für redaktionelle Inhalte sind in Skandinavien besser etabliert als etwa in Deutschland. Zum Kampfpreis von nicht einmal zehn Prozent der gedruckten Ausgabe bekommt man etwa einen Zugang zur Website der Boulevardzeitung VG.

Das mag zwar den einzelnen Abonnenten einer gedruckten Tageszeitung dazu bewegen, nur noch die viel günstigere Webversion zu lesen – aber so ist er immerhin noch weiterhin Zahlender, wenn auch auf niedrigerem Niveau.

Das Besondere ist dabei eine zentrale Registrierung für die Nutzer. Und anschließend eine Aufbereitung von Inhalten, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür entwickeln, dass der Leser zum zahlenden Abonnenten wird. „Subscription Purchase Prediction Model“ nennen das die Norweger, in etwa also eine Art Abokaufvorhersage.

Gezielt wurden und werden dafür Daten erhoben von jenen Nutzern, die immerhin schon registriert sind, wenn sie sich auf den Websites und den Kanälen der einzelnen Publikationen bewegen. 

Wenn die Bezahlschranke fällt

Bei der zum Schibsted-Verlag gehörenden Zeitung Verdens Gang (VG) liegen einige Artikel hinter einer Bezahlschranke

Ein kleiner Teil davon stößt in seiner Surfhistorie irgendwann an jenen Punkt, wo die Bezahlschranke der Website herunterfällt – und der Medienkonsum unterbrochen ist nach dem Motto: Wenn du jetzt hier weiterlesen möchtest, musst du ein Abo abschließen. Der Trick besteht letztlich darin, genau jene Inhalte zu isolieren, für die die meisten Nutzer bereit sind, zu zahlen. Und diese Inhalte dann gezielt bei anderen Nutzern mit ähnlichen Interessen auszuspielen.

Die Business-Technik dafür ist nicht von der Stange in einem Webshop zu kaufen. Zwar wird die Analysesoftware von Google und Co. immer ausgefeilter und man sieht, wie sich Nutzer durch die Kanäle bewegen. Doch Schibsted fehlte die Information, an welcher Stelle genau ein Call to Action, also der eindeutige Trigger zum Kauf, ausgespielt werden muss.

Die Norweger entschlossen sich zu einem eher ungewöhnlichen Schritt: der Verknüpfung des Digitalen mit dem Analogen. Telemarketing war und ist einer der Erfolgsfaktoren, das heißt: Wurde erkannt, dass ein Nutzer mit hoher Wahrscheinlichkeit bereit zum Abokauf war, wurde er angerufen. Mit Erfolg: Dabei gab es um 500 Prozent höhere Abschlussraten als im Durchschnitt.

Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch

Im Grunde verfolgt diese Art Marketing das Prinzip von Amazon: „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch“. Dabei überwinden die Norweger auch Gerätegrenzen, sie verfolgen also, wenn sich Nutzer von mehr als einem Device einloggen.

Die zum Schibsted-Verlag gehörende Zeitung Aftenposten markiert bei ihren Facebook-Posts bereits, ob ein Artikel nur mit einem Abo gelesen werden kann

Konsequent hat die Abonnentenzeitung Aftenposten auf diese Weise die Zahl ihrer Digitalabos verdreifacht, auf mehr als 100.000 zahlende Online-Nutzer. Dazu wurde die Zahl der kostenlos erhältlichen Artikel reduziert, und gleichzeitig wurden die nur für Abonnenten erhältlichen Artikel entsprechend gekennzeichnet.

Parallel ist die Zeitung dazu übergegangen, den bereitgestellten Content zu vervielfachen. Archivbeiträge wandern nach vier Wochen automatisch hinter die Bezahlschranke. Gleichzeitig wird solches Archivmaterial mittlerweile automatisiert den aktuellen Beiträgen hinzugefügt. Ganz ohne die Redaktionen gelingt aber auch das nicht.

In einer selbst entwickelten Software namens Engage wurden Zahlen für jeden Redakteur so aufbereitet, dass sie sehen können, wie erfolgreich ihre Artikel sind und welche Überschriften und Anreißer gut funktionieren. Die Lesedauer, wieviel Abonnements erzeugt wurden und wo die Leser herkommen, gehört zum täglichen Datenmaterial. Das macht die Artikel nicht automatisch besser – ist aber ein Anhaltspunkt dafür, welche weiteren Artikel künftig recherchiert und geschrieben werden sollten. 

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