Corporate Newsroom #6
Eine Vollzeit-Corporate-Influencerin für OTTO, Newsroom-Einführung bei apetito und REWE, Polizeipräsenz in Social Media und weitere spannende Themen
Clubhouse, das Netzwerk für offene Telefonkonferenzen, wächst. Wir erklären, wie man an einen Invite kommt und wie es funktioniert.
Künstliche Verknappung hat bereits seit dem vergangenen Sommer dafür gesorgt, dass sich die App Clubhouse viral verbreitet: Nur per Einladung können Nutzer in die Betaversion einsteigen. Inzwischen bekommt jede*r Eingeladene zwei weitere Invites, die er oder sie im Bekanntenkreis teilen kann – allerdings nur mit anderen, die ebenfalls ein iPhone nutzen. Für Android-Handys gibt es die Anwendung noch nicht.
In den Charts von Apples App Store ist Clubhouse von Platz 94 vor einer Woche in der Rubrik Soziale Netze auf aktuell Platz 2 gesprungen (Stand: 18.01.2021, 10:50 Uhr). Tendenz steigend: Im vergangenen Mai gab es nach Angaben aus einem Townhall-Meeting der Betreiber 5.000 Teilnehmende. Kurz vor Weihnachten waren es weltweit 600.000.
Wer unbedingt einsteigen will:
Bei E-Bay Kleinanzeigen gibt es Invites für Clubhouse zu kaufen. Die Preise rangieren zwischen 10 und 50 Euro. Zum Vergleich: In den USA kosteten solche Invites zeitweise 1.100 Euro, um an dem Hype teilzunehmen.
Zwei kostenlose Invites verlost dirico auf Facebook, und zwar hier.
Des Weiteren gibt es eine Telegram-Gruppe unter https://t.me/doppelhouse, in der Philipp Glöckler und Philipp Klöckner, Betreiber des Doppelgänger-TechTalk-Podcasts, zunächst ein Google-Dokument und später regionale Google-Docs angelegt haben, über die sich Interessierte gegenseitig Invites zuschanzen können.
Ein weiterer aktuell durchaus funktionierender Weg ist, sich die App zu installieren, seinen Nutzernamen zu sichern und darauf zu hoffen, dass aus dem persönlichen Bekanntenkreis jemand anderes bereits auf der Plattform aktiv ist. Der andere bekommt innerhalb der App einen Hinweis darauf, dass der Bekannte vor der Tür steht – und kann ihn, ohne das Kontingent von zwei Invites zu vermindern, hereinholen.
Clubhouse ähnelt beim Aufbau Twitter. Nach Einrichten seines Accounts mit Vor- und Nachnamen (Klarnamen sind vorgeschrieben) sowie Festlegen des Accountnamens (kann nur einmal geändert werden, also Vorsicht!) und einer Auswahl persönlicher Interessen findet man sich in einer Welt der Follower und Followings wieder. Das Onboarding ist dabei „nicht ohne“, denn wie so häufig bei neuen sozialen Netzen erwartet Clubhouse, das komplette persönliche Kontaktverzeichnis hochzuladen. In der Folge lässt sich herausfinden, welcher persönlichen Kontakt ebenfalls bereits bei Clubhouse registriert ist. Datenschutzbedenken? Ausgeblendet. Man kann das aber ablehnen.
Verknüpft wird der eigene Account mit der Handynummer. Eine Bindung an eine E-Mail-Adresse ist nicht zu Beginn möglich. Sie wird erst später zur zusätzlichen Verifizierung angeboten. Noch haben nur wenige Unternehmen eigene Accounts auf Clubhouse eingerichtet. Das „t3n“-Magazin ist dabei, wie ein bisschen Social Engineering durch Blick auf die Followings und Follower offenbart. Auch die Bürgermeisterin von San Francisco, London Breed, hat sich angemeldet. Blaue Haken für verifizierte Accounts gibt es noch nicht.
Nach dem Onboarding gilt es, Räume zu finden. Oder auf die Schnelle einen eigenen Raum zu einem Thema einzurichten. Das User Interface ist dabei erstaunlich ausgereift und intuitiv. Auf die Schnelle fanden sich etwa am vergangenen Samstagabend im deutschsprachigen Raum eine Diskussion über „Medienmarken – Zukunft & neue Player“ (100 Teilnehmer), „Social-Media- und Influencer-Marketing-Trends“ (600 Teilnehmer) oder „Clubhouse – sind Podcasts in Gefahr?“ (4 bis 6 Teilnehmer).
Ad hoc ist man in diesen Gesprächsrunden zugeschaltet. Und kann zunächst nur zuhören, wie andere in einer Telefonkonferenz diskutieren. Je nach Einstellung des Raums können Zuhörer aktiv vom Moderator „auf die Bühne“ geschaltet werden. Die Gesprächsqualität ist dabei nach bisherigem Erlebnis hervorragend, selbst mit Hunderten von Teilnehmern.
Erstaunlicherweise sind die AirPods Pro nicht die erste Wahl für die Gesprächsqualität. Die Mikrofone des iPhones 12 Pro klingen für Zuhörer besser. Ohnehin feilt Clubhouse noch an der Tonqualität: Kurz vor Weihnachten wurde über die Plattform eine Art Musical, „The Lion King“, aufgeführt, seitdem gibt es in bestimmten Räumen eine Einstellmöglichkeit für die Optimierung auf Musik oder Sprache.
Die auf dem Handy angezeigte Darstellung befördert vor allem Netzwerkeffekte: Angezeigt werden nicht nur die aktuellen Teilnehmer im Raum, sondern auch die Followings der Speaker, sprich: wem sie folgen. So entdeckt man schnell alte oder prominenten Bekannte und folgt ihnen wahrscheinlich gerne.
Ebenso kann man den eigenen Freundeskreis aufrufen und sich anzeigen lassen, wer gerade online ist und in welchem Raum er oder sie sich befindet. Auch möglich sind persönlich einstellbare Push-Nachrichten, aus denen hervorgeht, wenn ein beliebter eigener Kontakt irgendwo das Wort ergreift. Die Push-Nachrichten lassen sich dabei sehr flexibel einstellen.
Darüber hinaus gibt es eine durchdachte Kalenderfunktion bei Clubhouse. So können Akteure ihren eigenen Raum Stunden oder Tage im Voraus planen und dann auf anderen Kanälen wie LinkedIn oder Twitter darauf hinweisen. In der Clubhouse-App bekommt jeder die für ihn möglicherweise relevanten Termine im Kalender angezeigt – dabei werden die Termine danach ausgewählt, ob eigene Bekannte sie initiiert haben. Eine „Explore“-Funktion (Erforschen) hilft außerdem dabei, in den weltweiten Talks zu stöbern.
Auch thematische Suchen nach Sportthemen, Orten, Lebensweisen, Tech, Wellness und Politik sind möglich – für manche Sportvereine haben sich bereits eigene Clubhäuser gebildet. So kann man nicht nur den persönlichen Bekannten folgen, sondern auch den Clubhäusern. Auf Wunsch erhält man eine Benachrichtigung, wenn der Club einen Termin startet.
(Update 17. Januar, 20.50 Uhr:) Clubhäuser, das sind im Grunde die etwas wichtigeren Gemeinschaftsräume. Man kann auch diesen folgen und sich Beachrichtigungen schicken lassen, wenn dort neue Räume eröffnet werden. Für Marken und Unternehmen, Medien und Behörden, Verschwörer und Institutionen ergeben sich durch die Clubhäuser wahrscheinlich die neuen wichtigen Instanzen. In den Clubhäusern spielt vermutlich künftig die Musik, wenn Podcasts und Clubhouse auf den nächsten Level gehoben werden sollen.
Wie man ein Clubhaus einrichtet, war zunächst nur aus zweiter Hand zu erfahren. Wer erfolgreich drei Räume für Gespräche eingerichtet hat, kann über die App auch ein Clubhaus einrichten. Das muss man beantragen. Wie die Gründer am Sonntagabend in einem Townhall-Treffen mitteilten, soll der Prozess für die Einrichtung von Clubhäusern künftig beschleunigt werden. Man hofft, die Genehmigung für neue Clubhäuser auf zirka 24 Stunden zu drücken. Bisher dauert das länger.
Im Gegensatz zu Podcasts handelt es sich bei den Gesprächen in Clubhouse um Treffen, die offiziell nicht aufgezeichnet werden dürfen. Ist das Gespräch beendet, war es das. Die im iPhone implementierte Aufzeichnungsfunktion soll von der App bemerkt werden und eine Warnung verursachen. Laut Berichten von Teilnehmern sind bereits diverse Accounts gesperrt worden, die gegen das Aufzeichnungsverbot verstießen. Sogar ist es verboten, Gespräche zu transkribieren oder Zitate zu verwenden – außer der jeweilige Urheber hat zugestimmt. Es handelt sich im Grunde um geschlossene Räume.
Ganz so genau nehmen es die Betreiber aber selbst nicht mit dem Aufzeichnungsverbot: Im Kampf gegen Trolle und Spam fertigen sie selbst von jedem Gespräch eine Aufnahme, die für Kontrollzwecke noch eine Stunde nach Ende des Gesprächs vorliegen soll. Kommt es in einem Raum zu einen Vorfall, können Teilnehmende den Troll melden, blockieren oder aus dem Raum ausschließen. Clubhouse kann diese Trolle dann generell von seiner Plattform werfen. Kommt das vor, wird übrigens auch die Person aus Clubhouse ausgeschlossen, die den Troll dazu eingeladen hat.
So ergibt sich nun auch im deutschsprachigen Gebiet ab sofort eine völlig neue Plattform für die öffentliche Kommunikation. Die sehr gelungene Benutzerführung ist kinderleicht, auch wenn die Nutzung erst ab 18 Jahren erlaubt ist. Eine gewisse Netiquette hat sich hier auch schon auf die Schnelle eingespielt: Üblicherweise schalten die teilnehmenden Personen auf der Bühne eines Raumes ihre Mikrofone stumm, wenn eine andere redet. Möchte man selbst reden, ohne der anderen ins Wort zu fallen, blinkt man langsam mit seinem Mute-Symbol. Wer Zustimmung äußern möchte, kann durch schnelles Ein- und Ausschalten des Mute-Buttons applaudieren.
Hinter Clubhouse stecken namhafte Geldgeber. Alpha Exploration von Rohan Seth und Paul Davidson aus dem Silicon Valley haben die App konzipiert. Finanziert wurde das Unternehmen vom Investmenthaus Andreessen Horowitz und von Kortschak Investments. Das in San Francisco ansässige Unternehmen zählt gerade einmal ein Dutzend Mitarbeiter.
In Deutschland nahm in den vergangenen Tagen der Hype offenbar deshalb Fahrt auf, weil er im oben genannten Podcast thematisiert wurde und eine organisierte Welle von Invites viral ging. So hatte etwa Fernsehmoderator Joko Winterscheidt am Wochenende einen Raum geöffnet, in dem bis zu 500 Leute zuhörten. Bei vielen machte sich eine gewisse Euphorie breit, etwas Neues und durchaus Funktionierendes entdeckt zu haben.
Wie die Auswirkungen auf die Podcast-Welt sind, bleibt abzuwarten. Und ob die Euphorie von Dauer ist, wird diskutiert – und hängt gewiss auch davon ab, ob und wie bekannte Marken einsteigen. Eine Mechanik dafür ist, wie man an den Clubs von Fußballvereinen sehen kann, bereits vorgesehen.
Am Sonntag nahmen an einem Raum „Hauptstadtgeflüster“ unter anderem der FDP-Politiker Christian Lindner und erneut an die 500 Leute teil, vorwiegend aus der Kommunikationsbranche. Lindner bezeichnete Clubhouse als „unentdeckten Kontinent“ und fand den Pioniercharakter und das Experimentelle interessant.
Ob Clubhouse jedoch gekommen ist, um zu bleiben, oder nur ein kurzer Hype, mochte in der Runde niemand versichern. Eine Schwierigkeit ist, wie Lindner ausführte, das Gesprächsformat auf den Punkt zu bringen und die Dauer zu begrenzen, wenn immer wieder neue Zuhörerinnen und Zuhörer dazu stoßen und Themen erwähnen, die schon zuvor besprochen waren. Gute Moderation ist wichtig. So bleibt noch viel Gesprächsstoff, zumindest in den nächsten Tagen.
(Update 17. Januar, 21.30 Uhr, Kommentar von Autor Marcus Schwarze:) In der Digitalszene in Deutschland ist Clubhouse am Wochenende eingeschlagen. Ich meine, ein Glänzen im Auge und ein leichtes Beben in der Stimme bei vielen Veteranen der Digitalszene in Deutschland bemerkt zu haben. Endlich mal wieder etwas überzeugend Neues. Die Funktionalitäten der App sind bestechend.
Unterm Strich ist nach vielen Stunden Zuhören auf den Clubhouse-Kanälen im Deutschen tatsächlich eine funktionstüchtige neue App im Markt, die vielen ein Problem löst, das sie bisher nicht kannten oder formuliert hatten: gesprochene Kommunikation im Halb-Privaten und im Fast-Öffentlichen unter Corona-Bedingungen. Sascha Lobo brachte es in einem Talk am Sonntagabend auf den Punkt: „Wie man im Lockdown nicht durchdreht“, hieß sein Gespräch, und ausdrücklich war erwünscht, nicht über die App, sonders übers Thema zu reden. Das gelang ganz wunderbar. Rund 1.000 Leute nahmen teil.
Der Talk ist im Nachhinein nicht abrufbar, und deshalb bleiben private Aspekte wie die Schwangerschaft einer Beteiligten, Alkohol als Zwischen-Lösung und (hier muss ich sagen: leider) Service-Hinweisen zur besseren Trennung von Arbeit und Privatleben unerzählt. Für ganz sicher halte ich: Clubhouse wird eine neue Öffentlichkeit generieren, zu ganz speziellen und vor allem gut moderierten Themen – es entsteht eine neue Öffentlichkeit, die Podcasts in eine neue Ära führt, Magazine in ein weiterführendes ergänzendes Gesprächsformat bringt, im TV eine weitere oder live-aktuelle Stunde in moderierter Gesprächssituation mit Zuschauern erfindet.
Ob das langfristig Bestand hat, ist eine andere Frage. Das Format und die Technik müssen sich finanzieren, und die beiden Investoren bei Clubhouse für die zwei Gründer sind eher für Exit-Strategien bekannt. Gut möglich, dass ein Facebook oder Microsoft/LinkedIn die Initiative ergreift und wie weiland bei Instagram zuschlägt, den Dienst einfach kauft. Bewertet wurde Clubhouse zuletzt mit 100 Millionen Dollar. Auch Twitter plant einen ähnlichen Dienst mit seinen Twitter-Spaces.
Das Format einer neuen Öffentlichkeit ist jedenfalls gesetzt. Wie nennen wir es? Öffentliche Telko? Dieses Wochenende 16./17. Januar markiert jedenfalls in Deutschland einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung des Internets und der Kommunikation, 20 Jahre nach der Entwicklung der Wikipedia.
Wir sprechen darüber. Ganz gewiss auch bei Clubhouse.