Wenn CEOs twittern - oder die Rollen im Newsroom

Die unterschiedlichen Rollen in einem Newsroom sind Gegenstand vieler fachlicher Fragen – und sie werden nicht einfacher, wenn auch der CEO des Unternehmens auf Kommunikationskanälen unterwegs ist. 

Wenn CEOs twittern - oder die Rollen im Newsroom

Der Tweet von Siemens-CEO Joe Kaeser war deutlich:

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

„Hat er das wirklich selbst geschrieben?“, fragte zwei Minuten später im Siemens-internen Slack-Kanal ein Mitarbeiter ungläubig. „Jep“, antwortete eine Kollegin, das hatte er – „und er antwortete sogar auf einen der Kommentare“, hob sie hervor. „Stell sicher, dass siemens_press das kommentiert“, schrieb Patrick Naumann, Influencer Engagement Manager bei Siemens. Schon ging der Frontalangriff des Siemens-Chefs gegen die AfD um die Welt, wurde von „Handelsblatt“ bis „Welt“, von der AfD selbst und vom „Wall Street Journal“ aufgegriffen. 

Steigerung der Reichweite durch personalisierte Kommunikation

Durch diese Personalisierung erreicht Siemens deutlich mehr Menschen als über die offiziellen Firmen-Accounts. So erreichte das Twitterprofil @Siemens 500 Millionen Impressions im ersten Quartal 2018, während die, aus Sicht des Konzerns, elf wichtigsten Influencer laut „PR-Report“ drei Milliarden Impressions erzielten. Die Rollen im Newsroom orientieren sich daran: Alle Vorstände haben einen festen Ansprechpartner in der Kommunikationsabteilung. Ansonsten macht der Newsroom Vorschläge für Tweets und Retweets, erstellt Fotos und GIFs, Grafiken und Videos.

Was tun, wenn der CEO twittert?

Die Rolle von Kaeser im Newsroom von Siemens ist in diesem Fall eindeutig: Er ist der twitternde CEO, der durchaus Kante zeigt und sich in die Politik einmischt.

Von allen Chefs der deutschen DAX-Konzerne sind neun öffentlich auf Social Media aktiv. Zum Vergleich: In den USA gibt es 16 aktive CEOs von DOW-Jones-Index-Firmen, allen voran Apple-Chef Tim Cook mit fast elf Millionen Followern auf Twitter und LinkedIn. Nicht überall muss oder will der Chef selbst unterwegs sein. Kaesers Tweet war eine „Herz- und Kopfentscheidung“ gewesen, als Reaktion auf Äußerungen von Alice Weidel im Bundestag wenige Stunden zuvor. Dabei hatten die Siemensianer nicht nur Kaeser systematisch trainiert; sieben von acht Vorständen des Konzerns sind auf Twitter oder LinkedIn, zwei auf Instagram, einer bei WeChat vertreten.

„Wir glauben fest daran, dass Menschen Menschen vertrauen, und nicht Unternehmen“, schrieb Patrick Naumann auf LinkedIn. Bewusst habe man „kein Social-Media-Team“ eingerichtet, sondern Social Media als Skillset begriffen, also als Kompetenz für alle Kommunikatoren. Alle Kolleginnen und Kollegen im 380.000 Mitarbeiter starken Konzern gelten als Kommunikatoren. Sie werden geschult und ermuntert, selbstständig Inhalte zu posten.

Die „typischen“ Rollen im Newsroom

Natürlich gelten für einen DAX-Konzern bei der Kommunikation ganz andere Dimensionen als für mittelständische Unternehmen. Die Rollen innerhalb des Newsrooms sind jedoch meist dieselben: 

Fast immer ist in den Newsrooms ein Chef vom Dienst (CvD) an Bord: Er koordiniert zwischen den Themen und Kanälen. Der häufigste Ansatz ist, Themenverantwortliche (auch „Content Manager“ oder „Topic Owner“ genannt) und Kanalverantwortliche („Channel Manager“) einzubinden.

Wie Christoph Moss in seinem Buch „Der Newsroom in der Unternehmenskommunikation“ ausführt, verkörpern die Themenmanager die Verbindung zu den Fachabteilungen im Unternehmen und die Fachkompetenz. Die Kanalverantwortlichen hingegen verfügen über ein Vorschlagsrecht gegenüber dem CvD etwa bei der Frage, ob ein Thema für einen bestimmten Kanal geeignet ist.

Hinzu kommen die eigentlichen Redakteure, die in Absprache mit ihren Managern die Themen bearbeiten. Und bei Redaktionen steht über allem an der Spitze der Chefredakteur, bei der Corporate Communication der Kommunikationschef.

Keine (scharfe) Trennung zwischen interner und externer Kommunikation

Interne und externe Kommunikation verschwimmen dabei zusehends. So war es kürzlich auch wieder bei Siemens: CEO Kaeser begründete eine schwierige Unternehmensentscheidung in einem ausführlichen Beitrag auf LinkedIn und teilte ihn dort. Sein Unternehmen werde wegen des Mordes an einem Journalisten in Istanbul einer geplanten Investorenkonferenz in Riad fernbleiben. 3.000 Likes und fast 300 Kommentare später konnte er so die Position von Siemens nicht nur gegenüber den eigenen Mitarbeitern näherbringen, sondern auch in zahlreichen klassischen Medien wie etwa dem „Handelsblatt“ platzieren. 

Nichts mehr verpassen

Unser Newsletter versorgt Sie mit dem Neuesten von und über dirico